Lichtblicke gegen die Fragmentierung der Welt

Das ist mein erster Blogbeitrag seit fünf Monaten. Flugreisen und unsere Learning Journeys in afrikanische Länder sind nach wie vor gekappt. Statt dass ich nach Kenia, Ruanda oder in den Senegal fliege, verbringe ich gut 80% meiner Zeit im virtueller Austausch in Österreich mit Deutschland. Eine „neue Normalität“ ist noch nicht in Sicht.

Zu Beginn des Lockdowns war meine Einschätzung überwiegend positiv (16. März 2020).

Fragmentierung der Welt

Nicht, dass ich die Situation jetzt völlig anders sehe. Aber „die Mühen der Ebene“ sind jetzt sichtbar. Und wir befinden uns da ganz am Anfang.

Der physische Austausch mit afrikanischen Ländern ist noch immer sehr reduziert. Hie und da fliegt jemand nach Kamerun oder kommt jemand aus Ruanda zurück. Aber Reisen sind nach wie vor nur sehr eingeschränkt möglich. Vor allem aber werden so gut wie keine neuen Projekte begonnen, viele bestehende sind eingefroren. Investitionen werden zurückgestellt, nicht nur weil die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern komplizierter und unsicherer geworden ist. Auch, weil viele Unternehmen zuhause große und teilweise existentielle Probleme zu bewältigen haben.

Sich wechselseitig aufschaukelnde Probleme legen wirtschaftliche Aktivitäten auf der Mikroebene lahm und zerschlagen Systeme, die gut funktioniert hatten.

Hinzu kommen das schon längere Zeit bestehende Trennen und Entkoppeln auf der Makroebene. BREXIT, eine US-Regierung als Vorreiterin für Protektionismus oder auch der Versuch, die Wirtschaftsaktivitäten Chinas zu isolieren („The Great Decoupling“).

Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Das Herunterfahren der Wirtschaftsaktivitäten hat die globalen Tendenzen einer Fragmentierung der Welt verstärkt.

Gestaltung der global vernetzten digitalen Gesellschaft

Es geht heute nicht nur um die Überwindung der Pandemie. Das alles überlagernde Thema bleibt die Gestaltung der global vernetzten digitalen Gesellschaft.

Die Pandemie beschleunigt das Auflösen alteingesessener Institutionen der Industriegesellschaft: der fixe Job mit seiner fixen Arbeitszeit an einem fixen Ort, das Bankensystem das Kredite an realwirtschaftliche Unternehmen gibt, staatliche Währungssysteme, die ihre Glaubwürdigkeit auf die Wirtschaftskraft ihres Wirtschaftsraums gründen.

Neue Regelungen gibt es aber noch nicht oder funktionieren noch nicht. Wirksame Institutionen, die die Rahmenbedingungen für eine globale Umwelt- und Steuerpolitik setzen? Digitale Geschäftsmodelle für die breite Masse? Sozialsysteme für digitale Kleinunternehmer? Sinnerfüllte Arbeit auf breiter Ebene?

In dieser Phase der Verunsicherung kann es nicht überraschen, dass die Systemkritik zum Mainstream wird und antidemokratischen Populisten Aufwind haben. Zusätzlich schießen irrationale Philosophien und Verschwörungstheorien aus dem Kraut. Der Protest gegen Corona-Restriktionen ist lediglich der Aufhänger.

Und unsere Zusammenarbeit mit Afrika?

Sie ist gerade dabei, eine ganz andere zu werden. Noch meinen wir, wenn die Pandemie vorbei ist, die Grenzen offen und Flugzeuge in der Luft sind, geht es wieder los. Ich glaube, das wird so nicht stattfinden. Es wird kein abruptes Ende der Pandemie geben. Langsam werden viele der Restriktionen auslaufen, langsam werden wir wieder Projekte beginnen. Aber vieles wird nicht mehr so sein wie es war.

In Kenia, Mosambik oder Ghana werden die zu ihren Familien gezogenen Menschen wieder aus den Villages zurück in die Städte wandern. Die internationalen Sales People und Projektentwickler werden wieder in den afrikanischen Hauptstädten auftauchen.

Aber alle werden einen anderen Mindset haben. Ein Bewusstsein wird da sein, dass Arbeit und Einkommen nicht selbstverständlich sind, dass internationale Wirtschaftsbeziehungen etwas Fragiles sind und dass es mittlerweile ganz andere Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gibt.

Von denen, die es sich leisten können, werden manche den Zweck ihrer Jobs und die Art und Weise ihrer Arbeit hinterfragen. Sie werden verstärkt darum ringen, mit ihrer Arbeit wirkliche Probleme zu lösen und dafür verstärkt digitale Technologien einsetzen.

Und sie werden wieder öfters das große Ganze sehen. Es wird um Ideen und Innovationen für breiten Wohlstand, eine nachhaltige Energieversorgung, für ein neues Mobilitätssystem, für eine halbwegs verteilungsgerechte Transformation in diese neue Welt gehen.

Dafür brauchen wir offene Systeme und ein Mehr an globalen Vernetzungen.

Austausch und Vernetzung im digitalen Zeitalter

Die Mühen der Ebene bis zur Beendigung der Pandemie und für eine erfolgreiche Transformation in die digitale Gesellschaft erscheinen enorm. Die derzeitigen Tendenzen zur Fragmentierung der Welt wirken fast unüberwindbar. Bei meiner Beschäftigung mit Afrika ist es mir daher wichtig, mich auf die Lichtblicke einer neuen Globalisierung zu fokussieren, die Austausch und Vernetzung in ein nachhaltiges digitales Zeitalter bringen.


Einer der Lichtblicke: Ich freue mich, als Co-Founder bei Code of Africa dabei zu sein, wo wir neue Formen der Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und europäischen Unternehmen gestalten:


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