HANS STOISSER
Afrikas Partner: China oder Europa?
Versetzen Sie sich in die Lage afrikanischer Regierungen. Mit wem würden Sie Ihre Probleme eher lösen, mit China oder Europa?
Nach genau zwei Jahren Covid Pause reise ich im Februar 2022 wieder nach Nairobi. Im Taxi vom Flughafen in die Stadt traue ich meinen Augen nicht: Über uns befindet sich ein „Dach“, auf massiven Betonsäulen gebaut eine weitere Straße. „China hat diese Stelzenautobahn quer durch Nairobi gebaut, bis ans andere Ende der Stadt, zirka 27 km lang“, erklärt mir der Taxifahrer. Die massiven Betonsäulen lassen die Riesenbaustelle erahnen, die die Stadt in den letzten beiden Jahren dominiert hat.
Bei meinem Besuch drei Monate später ist die Autobahn schon eröffnet. Statt – je nach Staulage – ein bis drei Stunden brauche ich jetzt nur 20 Minuten nach Westlands. Noch ist der Verkehr am neuen „Expressway“ nicht sehr stark, für Alltagsfahrten ist die Maut den meisten noch zu teuer.
„Das ist die beste Investition, die China hier jemals gemacht hat“, erklärt mir begeistert ein Bekannter aus Nairobi.
Verkehrsinfarkt in afrikanischen Metropolen
Wer afrikanische Städte kennt, weiß, dass das Verkehrschaos vielerorts als das massivste Problem angesehen wird. Das rapide Wachstum der Mittelschicht und der Massenimport von japanischen Gebrauchtwägen haben den Autoverkehr seit den 1990er Jahren explodieren lassen. Die Straßeninfrastrukturen von Nairobi, Dar-es-Salam, Kampala, Lagos und anderen afrikanischen Metropolen wurden vollkommen überfordert. Verkehrszusammenbrüche und stundenlange Wartezeiten sind Alltag. Mit all den Konsequenzen für die Produktivität der Wirtschaft und das Wohlbefinden der Menschen.
Zur Lösung des Verkehrsproblems in Nairobi hatte also China der kenianischen Regierung diese Stelzenautobahn angeboten. Und die kenianische Regierung hat angenommen.
Die staatliche China Communications Construction Company (CCCC) bzw. deren Tochterunternehmen finanzieren, bauen und betreiben die neue Autobahn. Die 700 Millionen USD Baukosten werden durch die Mauteinnahmen in den nächsten 27 Jahren finanziert. Danach soll die Straße an die kenianischen Behörden übergeben werden.
Kenia hatte keine Anfangsinvestitionen zu tragen und musste damit keine neuen Schulden aufnehmen. Die Bauarbeiten wurden in weniger als 2 Jahren abgeschlossen, was eine rekordverdächtige Leistung ist.
Natürlich sehen wir in Europa dabei vieles kritisch. Die Baumaßnahmen waren eine riesige Belastung für die Bewohner. Die Maut ist für die meisten Menschen zu teuer. Und überhaupt, neue Straßen ziehen neuen Autoverkehr an. Eigentlich bräuchte es Zugverbindungen, S-Bahn Linien oder eine U-Bahn, jedenfalls Investitionen in den öffentlichen Verkehr.
Afrikas Partner
Wahrscheinlich hatte Europa auch Angebote gemacht. Ich nehme an, die EU oder andere westliche Institutionen hätten auch gerne Investitionen finanziert. ABER: War bei diesen Angeboten auch eine kurzfristige Lösung wie die chinesische dabei? Und hätten europäische Unternehmen die Risiken einer solchen Nonstop-Großbaustelle wirklich übernommen? Wären europäische Geldgeber auch bereit gewesen, solche langfristigen Finanzierungen zu übernehmen?
Und was wären die europäischen Bedingungen gewesen? Wir hätten Studien über Studien beauftragt, um Umweltstandards, Arbeitnehmerstandards, soziale Verträglichkeit, Gendergerechtigkeit, usw., garantiert zu sehen. Wie lange hätte das gedauert? Wenn ich hier 5 Jahre nenne, ist das kein unrealistischer Zeitraum. Oder doch eher 10 Jahre oder mehr? Und alles mit der Unsicherheit behaftet, dass am Ende gar nichts umgesetzt wird.
Nun, versetzen Sie sich in die Lage der kenianischen Regierung. Mit dem täglichen Verkehrsinfarkt vor Augen steht sie unter massivem Druck der Bevölkerung.
Mit welchem Partner kann man eher gemeinsame Lösungen für die drängenden Probleme der Hauptstadt finden? Wen würden Sie für Inrastrukturbauten als Partner wählen, China oder Europa?