HANS STOISSER
Warum Impulse aus Afrika helfen die eigene Krise zu überwinden
Warum europäische Unternehmen in Afrika dabei sein müssen, Teil 4
„… hier in Kenia haben wir eine der höchsten Zahlen an NGOs pro Einwohner. Das …. schafft viel Verrücktheit … Wenn Unternehmen die hohe Misserfolgsrate [der NGOs] hätten, würden sie längst nicht mehr existieren. Aber NGOs haben aus der Entwicklungshilfe unbegrenzt viel Geld …“, sagt Eric Hersman, Mit-Begründer der Internet Start-up Szene in Kenia.
Eine afrikanische Sicht auf die Beziehungen Europas zu Afrika, die man bei uns so nicht kennt. Für immer mehr Menschen in den afrikanischen Städten ist es unverständlich, dass europäische Regierungen und Hilfsorganisationen fortwährend mit „Hilfsprojekten“ in ihre Länder kommen.
Was wir nicht sehen …
In der Dramatik bei uns kommunizierter lokaler Katastrophen ist uns das Gesamtbild verloren gegangen. Die Veränderungen der letzten beiden Jahrzehnte in den afrikanischen Ländern sind uns noch immer nicht bewusst:
- Die afrikanischen Länder haben an die Weltwirtschaft angedockt und drängen deshalb die Armut in Riesenschritten zurück.
- Eine urbane Mittelschicht, eingeloggt in die globale Wissens- und Kommunikationsgesellschaft, ist zum bestimmenden Faktor geworden.
- Die globalen Vernetzungen und die fortschreitende Digitalisierung haben das Leben der Menschen auch in den entlegensten Regionen verändert und Zugang zu Kommunikation und zur Geldwirtschaft geschaffen.
Dahinter steht eine Konstante der Menschheitsgeschichte, die zunehmende Arbeitsteilung, zunehmender Handel und zunehmende Vernetzung. Diese wurde nun auf globale Ebene gehoben und ermöglicht wirtschaftliche Entwicklung auch in den ärmsten Ländern der Welt.
… und nicht wahrhaben wollen
Warum erkennen wir das in Europa nicht?
Weil wir die positiven Veränderungen nicht wahrhaben wollen?
Noch immer sind wir in die ideologischen Grabenkämpfe des vorigen Jahrhunderts verstrickt. Viele stellen den Verteilungskampf zwischen Kapital/Konzernen und lokaler Bevölkerung in den Mittelpunkt der Erklärungen.
Statt zu erkennen, dass die neuen komplexen dezentralen Strukturen und Organisationen ein neues Denken und Handeln erfordern.
Fehlender Blick nach außen
Solange wir nicht tatsächlich nach draußen schauen, Afrikaner immer nur „helfen“ wollen und sie damit nicht wirklich ernst nehmen, erkennen wir die Veränderungen nicht. Dass marktschaffende Innovationen wie digitales Geld zu einem Standard in afrikanischen Ländern geworden sind. Dass neue mobil-digitale Lösungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich das Leben der Menschen verbessern. Dass Lösungen mit erneuerbaren Energien, Cargo-Drohen und neuen Plattformen der Musik- und Unterhaltungsindustrie boomen.
Dass Software immer mehr das Fehlen von qualifizierten Lehrkräften, Ärzten oder sonstigen Infrastrukturen kompensiert.
Europa verweilt im Krisenmodus und ist deshalb auf sich selbst fokussiert. Es weigert sich plötzlich sogar, „Freihandel“ und damit zunehmende globale Arbeitsteilung als etwas grundsätzlich Positives zu sehen und schottet sich immer mehr ab. Rückwärts gewandte, auf völkischen Patriotismus aufbauende Ideologien und Bewegungen gewinnen an Zulauf.
Impulse aus Afrika
Afrikanische Innovationen und Herangehensweisen zeigen uns warum das Anachronismus ist. Nach Afrika zu blicken, könnte wertvolle Impulse für unsere eigene Entwicklung geben. Für unsere krisengeplagten Banken. Für den Bildungsbereich. Für die zukünftig „intelligenten“ Netze der Stromversorgung, für das Gesundheitswesen. Und natürlich für unsere Politik.
Deswegen müssen wir – europäische Organisationen und Unternehmen – bei den Entwicklungen in den afrikanischen Ländern dabei sein.
Auch um zu erkennen, dass das Bedrohungspotenzial aus Afrika nicht die zu uns drängenden „Armen“ sind, sondern – im Gegenteil – die Vitalität und der Einfallsreichtum von Menschen, die in noch nicht so überregulierten Gesellschaften leben.
Aber vor allem um unsere eigene Krise zu überwinden. Um endlich wieder vernünftig zu werden und zu sehen, dass zunehmende globale Arbeitsteilung, Vernetzung und damit auch der Freihandel nicht nur die Armut in Afrika zurückdrängen, sondern auch die Grundlage unseres eigenen Wohlstands sind.
Siehe auch:
Warum wir in Afrika dabei sein müssen
Teil 1: Eine riesige Nachfrage trifft auf einen neu vernetzten Raum
Teil 2: Die digitale Revolution auf die wirklichen Bedürfnisse anwenden
Teil 3: Disruptive Innovationen entstehen immer am unteren Ende des Marktes
Hans Stoisser als Autor:
Der schwarze Tiger – Was wir von Afrika lernen können
von Hans Stoisser, Kösel Verlag, ISBN 978-3-466-37125-9