Aufschwung in Afrika, Europa in der Hauptrolle

Dieser Artikel erschien in voller Länge im MO-Magazin für Menschenrechte im November 2019

In den 1980er Jahren arbeitete ich im ärmsten Land der Welt, im westafrikanischen Kap Verde. In den 1990ern wieder im dann ärmsten Land, im südostafrikanischen Mosambik. Auch in Uganda, Äthiopien, Tansania, Simbabwe und einigen anderen Ländern. Immer hörte und las ich die Geschichten vom hoffnungslosen Kontinent.

Ich hingegen habe immer mit Leuten zusammengearbeitet, die von Jahr zu Jahr besser ausgebildet waren, einen höheren Lebensstandard hatten und in einem wirtschaftlich immer dynamischeren Umfeld lebten. Eine ganz andere Wahrnehmung.

Aufschwung in Afrika

Etwa ab der Jahrtausendwende sah man das dann auch in den Statistiken. Die Wirtschaftsleistung Sub-Sahara Afrikas hat sich in den darauffolgenden eineinhalb Jahrzehnten in Kaufkraftparitäten real verdoppelt, die Armut ging zurück. Gleichzeitig ist eine Mittelschicht entstanden, die das Schicksal ihrer Länder in die Hand genommen hat.

Paradoxerweise hat die Flüchtlingskrise von 2015 das Narrativ vom Krisenkontinent Afrika verstärkt. Statt es den neuen Realitäten angepasst. Die Medienöffentlichkeit hat lange nicht zwischen Flüchtlingen und Migranten unterschieden. Damit auch nicht zwischen Syrien und Nigeria oder Senegal. Aus Migranten wurden schnell einmal „Armuts-“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“.

Das zeigt, dass die Geschichte, die wir uns über Afrika erzählen, ein Abbild der europäischen Innenpolitik ist. Und nicht eine Beschreibung der afrikanischen Realität.

Unser falsches Bild von Afrika hängt damit eng mit unserer eigenen Befindlichkeit in Europa zusammen.

Europa’s Rolle

Freie Marktwirtschaft, freie Wissenschaft, Leistungsgesellschaft, Pragmatismus, Friedenskultur, Rechtsstaatlichkeit, offene Bildung – Europa hat die Grundlagen für die vernetzte globalen Gesellschaft gelegt. Erst sie machen es möglich, dass heute 7,5 und zukünftig 10 bis 11 Milliarden Menschen überleben und immer mehr auch gut leben können.

Dewegen ist die bisherige Geschichte der Menschen auch in Afrika eine „Flucht aus Armut und Krankheit“ (Angus Deaton). Und nicht eine Ansammlung von Ungerechtigkeiten.

Mit unserem falschen Bild von einem Afrika der Hoffnungslosigkeit können wir das aber gar nicht sehen.

Hinzu kommt, dass wir seit der Finanzkrise im Jahr 2008 auch ein Bild von einem Europa der Krisen haben. Auch daher kommen wir gar nicht auf die Idee, von einer positiven Rolle Europa’s zu sprechen.

Die beiden Narrative – hoffnungsloses Afrika, Zerfall Europa’s – verstärken sich gegenseitig.

Was wäre eigentlich wenn …

… wir die positiven historischen Beiträge Europa’s als Grundlage für den Umgang mit den globalen Herausforderungen wie Migration oder Klimaveränderungen sehen würden?

Wir würden die Potenziale einer dezentral organisierten globalen Gesellschaft erkennen, die die Freiheit des Einzelnen mit der Kreativität und Intelligenz der Vielen zu vereinen versucht.

Und wir würden eine „Mission“ Europa’s erkennen, die vernetzte globale Gesellschaft humanistischer zu gestalten.

Ungekürzter Artikel zum Download hier

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