Wirtschaft und Entwicklung – ein Statement

Am 5. März bin ich eingeladen, bei „10 Jahre corporAID – neue Wege für Wirtschaft und Entwicklung“ eine Arbeitsgruppe zu leiten. Mein Einleitungsstatement könnte in etwa so lauten:

„Das Thema ist Wirtschaft und Entwicklung. Vor allem: die Rolle von Unternehmen in der Entwicklung der Schwellen- und Entwicklungsländer.

Die Welt ist im Umbruch. Wir erleben derzeit die dritte globale Machtverschiebung der Neuzeit. Nachdem Europa ab dem 15. Jahrhundert mit der Entdeckung der neuen Welt und später der industriellen Revolution bestimmend für die globale Entwicklung wurde, und nachdem die USA zum Ende des 19. Jahrhunderts zur dominierenden Weltmacht aufstieg, erleben wir gerade den Aufstieg der restlichen Welt und das Entstehen einer echt globalisierten Welt. Die Unterscheidung zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern hat immer weniger Aussagekraft und wird in wenigen Jahren obsolet sein.

Aus Sicht der Entwicklungspolitik ist diese Entwicklung eine Erfolgsgeschichte. Laut einem UN Bericht hat sich von 2000 auf 2013 die Anzahl der in absoluter Armut lebenden Menschen trotz Zunahme der Weltbevölkerung um eine halbe Milliarde verringert.

Wirtschaft und Entwicklung

Was war dabei die Rolle der privaten Unternehmen? – Sie waren und sind der Motor der Entwicklung und damit der Treiber dieser Erfolgsgeschichte in den nun aufstrebenden Ländern!

Leider wird dies aber oft nicht gesehen und die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen missverstanden. Noch immer sehen die meisten den Zweck von Unternehmen darin, Gewinne erzielen. Das geht auf die neoklassische Wirtschaftslehre und vor allem auf das seit den 1980ern modern gewordene Shareholder Value Denken zurück. Wohin es führt, wenn dieses Denken zur allumfassenden Doktrin erhoben wird, haben wir bei der Verselbstständigung der Finanzwirtschaft erlebt und erleben wir seit 2007 in der wirtschaftlichen Dauerkrise des Westens.

Der eigentliche Zweck von Unternehmen kann aber nur in ihren nach außen gerichteten Leistungen verstanden werden. An erster Stelle sind es die Leistungen an Kunden. Es sind Unternehmen, die Straßen und Brücken bauen, die Spitäler errichten, die Telefonnetze betreiben, die Supermärkte managen, usw., die damit Nutzen für Kunden schaffen.

Indem Unternehmen Kundennutzen schaffen, treiben sie die Entwicklung der Gesellschaft eines Landes durch Innovationen und höherer Produktivität voran. Das ist der Kern der Erfolgsgeschichte des Aufstiegs der nicht-westlichen Welt. Erst dadurch werden Wissensgesellschaft und demokratische Gesellschaftsstrukturen möglich. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit verbundenen Einkommen und die Finanzierung der öffentlichen Hand durch Steuern und Gebühren sind weitere wichtige Entwicklungsbeiträge.

Entwicklungspolitik neu denken

Mit diesem Unternehmensverständnis ist Entwicklungspolitik neu zu denken.

Aus Entwicklungszusammenarbeit wird Internationale Zusammenarbeit.
Aus Entwicklungspolitik wird Internationale Kooperationspolitik.

Die Rolle von Unternehmen ist neu zu bewerten. Eine Förderpolitik braucht andere Ansätze, passt nicht in ein lineares Konzept von Ein- oder Fünfjahresplänen. Und die vorherrschende Annahme, wir wüssten heute, was morgen gut für die Entwicklung eines bestimmten Landes sei, ist abzulegen. Den Privatsektor zu fördern heißt eine opportunitätsgetriebene Haltung einzunehmen. Offen für neu aufkommende Möglichkeiten zu sein. Das ist das Gegenteil davon, wozu üblicherweise bürokratisch organisierte Programme in der Lage sind.

Vielen ist das Bild des Blue Ocean bekannt. Wenn Unternehmen eine Blue Ocean Strategie verfolgen, fischen sie in neuen, unbekannten Gewässern. Nur wenige andere Unternehmen sind mit dabei, es geht um neue innovative Produkte und Leistungen. In Ostafrika ist so das auf die einfache Mobiltelefonie aufbauende „Mobile-Banking“ entstanden. Noch ganz ohne Internet und ohne Smartphone. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. – Neu geschaffener „Kundennutzen“, gleichzeitig Teil und Auslöser einer dynamischen Entwicklunggeschichte.

Die Alternative ist der Red Ocean. Dort wo alle fischen herrscht blutiger Preiswettbewerb.

Schwellen- und Entwicklungsländer sind für Unternehmer ein Blue Ocean. Das, was sie dort tun, müssen sie neu denken. Innovation und Kreativität stehen im Mittelpunkt. Nur so kann Kundennutzen geschaffen werden und nur so können Unternehmen erfolgreich sein.

In diesem Sinne – wo liegen die Engpässe wenn europäische Unternehmen in diesem blauen Ozean unterwegs sind?“

2 Kommentare

  1. Interessent. Aber was ist ist wirklich der Anteil der Entwicklungshilfe, was der der Privatwirtschaft an der Entwicklung des Südens?

    • Einen Indikator für die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) stellen die Kapitalflüsse dar. Seit 2004 sind die privaten Kapitalflüsse der traditionellen Geberländer (DAC countries) in die Länder des Südens größer als die der offiziellen bilateralen EZA. Im Jahr 2012 waren lt. der OECD Statistik die privaten Kapitalflüsse bereits etwa 3,5mal so groß wie die Transfers der bilateralen EZA (308 Milliarden USD versus 88,5 Milliarden USD).

      Diese Kapitalflüsse spiegeln aber nur die Rolle der Privatwirtschaft in den Außenbeziehungen wieder. Innerhalb der Länder hat sich der Anteil der Privatwirtschaft an der Gesamtwirtschaft in der Regel wegen des geringen Ausgangsniveaus exponentiell vervielfacht.

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