HANS STOISSER
Warum Afrika kein Kontinent der Flüchtlinge ist
„Ende 2014 waren 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht … ein Jahr zuvor 51,2 Millionen Menschen, vor zehn Jahren 37,5 Millionen Menschen. Die Steigerung von 2013 auf 2014 war die höchste, die jemals im Laufe eines Jahres von UNHCR dokumentiert wurde. … In den letzten fünf Jahren sind mindestens 15 neue Konflikte ausgebrochen oder wieder aufgeflammt: Acht davon in Afrika …“
Das Flüchtlingshilfswerks UNHCR ist in einer Presseaussendung im Rahmen der Veröffentlichung seines Jahresberichts sehr deutlich.
Sein Chef, Flüchtlingskommissar António Guterres:
„Wir werden aktuell Zeugen eines Paradigmenwechsels. Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen.“
Die Zahlen klingen bestürzend. Immer neue Krisenherde, bald ein Prozent der Menschheit auf der Flucht.
Versinkt die globalisierte Welt im Chaos?
Der Schwarze Tiger
Eine kritische Masse afrikanischer Länder boomt und auf dem Kontinent ist eine neue Mittelschicht im Entstehen, die längst Teil der globalen Wissens- und Kommunikationsgesellschaft ist.
Das ist die Message in meinem im Herbst erscheinenden Buch „Der schwarze Tiger- Was wir von Afrika lernen können“.
Ein Widerspruch?
Zweimal nein!
Weder versinkt die Welt im Chaos, noch stellen die Flüchtlingszahlen den Boom in afrikanischen Ländern in Frage.
Wie immer sind es spezifische Krisenherde.
40% der weltweiten Flüchtlinge kommen aus drei Ländern (Syrien, Kolumbien, Irak), 80% (!) stammen von lediglich 12 Konfliktherden.
Knapp ein Drittel der Flüchtlinge kommt aus Afrika.
Afrika ist nicht Afrika
Flüchtlinge aus 9 von 54 Ländern
Auf dem afrikanischen Kontinent selbst sind es 6 Krisenherde, die 84% der Flüchtlinge des Kontinents verursachen. Aus 9 Ländern kommen über 90% der Flüchtlinge(alles Ende 2014).
Boom in 30 von 54 Ländern
Daneben gibt es aber 49 andere afrikanische Länder, wovon in zumindest 30 Ländern die Wirtschaft boomt, der durchschnittliche materielle Wohlstand steigt, die Armut zurückgedrängt wird und eine neue Mittelschicht entstanden ist. Weltweite Arbeitsteilung und Wertschöpfungsnetzwerke, neue Kommunikationstechnologien und die globale Wissensgesellschaft sind die Taktgeber.
Auch zeigt die Geschichte der Flüchtlingsströme in Afrika einige positive Entwicklungen. Laut Bericht des UNHCR gibt es zumindest 14 afrikanische Länder, die im Laufe der letzten 25 Jahre zu den Top-20 Verursachern von Flüchtlingsströmen zählten. Deren Krisen gelten aber heute als beigelegt: Angola, Burundi, Tschad, Elfenbeinküste, Äquatorialguinea, Äthiopien, Liberia, Mauretanien, Mosambik, Namibia, Sierra Leona, Südafrika, Togo, Uganda.
Ja, die Flüchtlingszahlen haben in den letzten drei Jahren auch in Afrika zugenommen, wenn auch in einem geringeren Ausmaß als im Nahen Osten, in Asien oder in Europa.
Aber Afrika ist nicht Afrika. Eine kritische Zahl afrikanischer Länder boomt und hat das Pendel längst in die andere Richtung ausschlagen lassen: wirtschaftliche Dynamik, Optimismus und Zuversicht, Einfallsreichtum, neuartige Innovationen. Das alles bei einer Vitalität der Menschen, die auf anderen Kontinenten so nicht zu finden ist.
Zu leicht verstellen alarmistische Schlagzeilen den Blick aufs Ganze.
Hans Stoisser als Autor:
Der schwarze Tiger – Was wir von Afrika lernen können
von Hans Stoisser, Kösel Verlag, ISBN 978-3-466-37125-9
Extremely valid points are brought up by this article. I find Europe has a big misconception of Africa based on a lot of conflicts, draughts and instabilities of the 1980s and the most recent „Arab Spring“ in the north African countries.This view has not been updated to reflect ALL 54 countires. I find the media plays a crucial role perpetuating this image of a continent on the brink of dispair. To truly see the significant change and potential of Africa one must simply experience it-preferable not from ones couch.
Thank you, Laetitia. When you listen to current public discussions on refugees, even renown intellectuals are talking about „Africa“ and its tragedies. They are treating Africa still as a „black box“. – I see in this even a major reason of Europe’s helplessness in tackling the refugee problems.
Unless Europe understands the uniqueness of specific situations in specific countries and at the same time creates a new narrative of „Africa“, based on the globalized networked 21st century society, I see no hope to overcome our helplessness.