Die digitale Revolution auf die wirklichen Bedürfnisse anwenden

Warum europäische Unternehmen in Afrika dabei sein müssen, Teil 2

Vor kurzem wollte ich für meine Tochter 300 Euro an deren Freundin in Südafrika überweisen. „Was kosten das? Wie lange dauert es?“, fragte ich meine Hausbank. „Etwa drei Wochen. Die Kosten verrechnen wir im Nachhinein.“ – Daraufhin gingen wir in Wien in das nächste Mobiltelefon-Geschäft und verwendeten einen digitalen Überweisungsdienst. Wenige Minuten später war das Geld in Südafrika eingelangt. Bestätigt über WhatsApp.

Digitales Geld

Digitales Geld ist Standard in afrikanischen Ländern. Nicht nur in den reiferen Volkswirtschaften wie Südafrika, Nigeria, Ghana oder Kenia. Auch in Krisenstaaten wie Somalia. (Eigentlich gerade dort, denn wo wenig funktioniert, werden automatisch neue Lösungen gefunden!)

Viele sehen hier ein  Überspringen von Stufen der (westlichen) technologischen Entwicklung („Leapfrogging“). Mit der Mobiltelefonie wurde in Afrika bekanntlich die Festnetztelefonie übersprungen. Und die auf die Mobiltelefonie aufbauenden mobilen Banken – mit M-Pesa als Vorreiter und heute Weltmarktführer –  lassen Banken mit großem Filialnetz erst gar nicht entstehen.

Und jetzt fragen sich viele, ob das nächste Überspringen einer Technologiestufe im Energiesektor bevorsteht. Viele innovative „off-grid“,„mini-grid“ und „micro-grid“ Stromversorgungslösungen arbeiten mit intelligenter Software und ganz neuen Geschäftsmodellen. Wechseln nun also afrikanische Länder gleich ins Zeitalter „intelligenter“ dezentraler Versorgungsnetze ohne vorher ein umfassendes zentrales Stromversorgungsnetz aufgebaut zu haben?

Neues entsteht

Aber handelt es sich wirklich um ein Überspringen von Technologiestufen? Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir dass die neuen Technologien anders als bei uns angewandt werden.

In afrikanischen Ländern setzten die Telefongesellschaften von vorne herein großflächig auf Vorauszahlung, also „Wertkarten-Handys“ (In Mangelwirtschaften gibt es ohne Vorauskasse keine funktionierenden Geschäftsmodelle). Anders als bei uns, räumten sie ihren Kunden dabei die Möglichkeit ein, Telefonguthaben an andere Nutzer zu übertragen.

Das wurde massenhaft genutzt, die Menschen aus der Stadt überwiesen Gelder an ihre Verwandten am Land. Und die verrechneten ihre Guthaben mit lokalen Geschäften oder sogar für den Kauf von Bananen oder Mangos bei den lokalen Marktfrauen.

Daraus sind dann die mobilen Banken entstanden und heute haben 96 Prozent (!) der kenianischen Haushalte ein „Bankkonto“ auf ihrem Mobiltelefon (genauer: auf der SIM-Karte!).  Während unsere Banken noch immer darum ringen „Zahlen mit Handy“ nachhaltig einzuführen.

Anders gelagerte Bedürfnisse haben zu anderen Lösungen geführt. Es findet nicht nur ein Überspringen von Technologien in afrikanischen Ländern statt. Neuartige, bisher nicht gekannte Lösungen entstehen.

Lernen die digitale Revolution auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen anzuwenden

Europäische Unternehmen müssen bei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Afrikas dabei sein, um bei den neuartigen Lösungen mitwirken zu können. Dort lernen sie, die wirklichen Bedürfnisse der Menschen kennenzulernen. Und die digitale Revolution genau auf diese anzuwenden.



Hans Stoisser als Autor:

Der schwarze Tiger – Was wir von Afrika lernen können

von Hans Stoisser, Kösel Verlag,
ISBN 978-3-466-37125-9
Der schwarze Tiger - Was wir von Afrika lernen können

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