Eine riesige Nachfrage trifft auf einen neu vernetzten Raum

Warum europäische Unternehmen in Afrika dabei sein müssen, Teil 1

„Schrecklich, die chinesische S-Bahn in Addis Abeba! Viel zu klein. Jeden Morgen müssen sich die Äthiopier in endlos langen Reihen anstellen um in die Stadt zu kommen“, sagt die deutsche Dame beim German Africa Business Summit in Nairobi.

Afrika hat die „chinesische Krankheit“, meinen immer mehr Europäer. Damit sind nicht nur die Warteschlangen in Addis gemeint, auch die Schlaglöcher neuer Straßen, die Einfachheit chinesischer Züge oder die Arbeitsbedingungen in chinesischen Unternehmen. Und überhaupt, die schlechte Qualität aller übrigen chinesischen Produkte.

Werden die afrikanischen Länder jetzt von China kolonisiert?

China in Afrika

Aus dem Nichts ist China innerhalb von nicht einmal zwei Jahrzehnten zum größten einzelstaatlichen Handelspartner des afrikanischen Kontinents aufgestiegen. Chinesische Baufirmen errichten Regierungsgebäude, Sporthallen, Überlandstraßen, Stadtautobahnen, Eisenbahnlinien und städtische Verkehrsinfrastrukturen. Und unzählige chinesische private Unternehmen liefern die Dinge des alltäglichen Bedarfs, von Gummisandalen, Schuhen, Kleidern, Schultaschen bis Möbel und sogar Designereinrichtungen.

Kenianer, Äthiopier, Mosambikaner und Menschen aus so gut wie allen anderen afrikanischen Ländern fragen chinesische Produkte und Leistungen nach und bezahlen dafür. Wie eben auch für die S-Bahn in Addis Abeba.

Die Menschenschlangen an den Halteschlangen als „schrecklich“ anzusehen, ist die eine Sicht. Die andere wäre, sie als ein Zeichen dafür zu nehmen, dass das chinesische Angebot im Übermaß nachgefragt wird.

Mit der S-Bahn in Addis leistet China einen wesentlichen Beitrag zu Lösung des virulentesten Infrastrukturproblems afrikanischer Städte: dem überbordenden städtischen Nahverkehr mit seinen kolossalen Verkehrsstaus.

Auch wenn die Qualität für uns Europäer nicht stimmen mag: Wir selbst waren bisher nicht in der Lage, uns auf lokale Situationen einzulassen und bessere Angebote zu schaffen.

Neue Mittelschicht

Nachfrage bedeutet Bedarf plus Kaufkraft. Der Bedarf ist in den unterversorgten afrikanischen Ländern riesig, das war uns Europäern immer schon klar. Deswegen haben wir die Entwicklungshilfe erfunden, und die vielen NGOs die diesen Bedarf zu bedienen versuchen.

Jetzt aber sehen wir die immer größer werdende Kaufkraft. Das lernen wir von  chinesischen Unternehmen, die das vor uns erkannt haben.

Dahinter steht eine neue afrikanische Mittelschicht. Wie groß diese ist, ist bei uns Gegenstand ideologischer  Kontroversen. Die afrikanische Entwicklungsbank hat sie einmal mit einem Drittel der Afrikaner geschätzt. Das war sehr hoch gegriffen.

Aber selbst wenn es nur 200 bis 300 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner sind, die sich derzeit die Angebote in den vielen neuen Shopping Center leisten. Es ist eine kritische Masse, groß genug das zukünftige Leben am Kontinent zu bestimmen. Und groß genug auch für europäische Unternehmen, um in neue Märkte zu investieren. Vor allem, da sich diese Zahl in den nächsten zwei Jahrzehnten verdreifachen könnte.

Auch die Armut geht dabei in Riesenschritten zurück.

Riesige Nachfrage und neu vernetzter Raum

Das Andocken an die globalen Wertschöpfungsketten und die Verbreitung der digitalen Kommunikationstechnologien haben in afrikanischen Ländern einen Entwicklungsschub ausgelöst. Anfang der 2000er Jahre hat zunächst die Mobiltelefonie innerhalb weniger Jahre für hunderte Millionen Menschen einen Zugang zu Kommunikation geschaffen. Dann haben die darauf aufbauenden mobilen Banken innerhalb weniger Jahre diesen Menschen einen Zugang zur Geldwirtschaft gebracht. Beides Grundvoraussetzung für modernes Wirtschaften.

Heute ist die neue afrikanische Mittelschicht eingeloggt in die globale Kommunikations- und Wissensgesellschaft, mit dem gleichen Zugang zum globalen Wissensschatz, wie wir ihn hier in Europa haben.

Europäische Unternehmen müssen bei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Afrikas dabei sein. Nicht nur um die eigenen Exporte um ein paar Prozentpunkte zu steigern. Vor allen Dingen, um den Anschluss an diese neue globale Mittelschicht nicht zu verlieren, deren riesige Nachfrage nun auf einen vernetzten Raum neuartiger Fähigkeiten und Technologien trifft.

Und auch, weil in genau diesem Raum der globale Wettbewerb mit den chinesischen Unternehmen und Institutionen entschieden wird.



Hans Stoisser als Autor:

Der schwarze Tiger – Was wir von Afrika lernen können

von Hans Stoisser, Kösel Verlag,
ISBN 978-3-466-37125-9
Der schwarze Tiger - Was wir von Afrika lernen können

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