Silicon Savannah – Disruption in Europa durch Afrikas Agilität

Beim Montagsblog der  digitalcity.wien am 15. Mai 2018 erschienen. Die Zukunft Afrikas, die wir in der Gegenwart erkennen können .

 

Telekom als Bank

„Die digitalen Bankdienstleistungen von Orange sind ein schwerer Schlag für traditionelle Banken, die gerade darum ringen ihre Angebote und Plattformen zu modernisieren”, sagt die Bankexpertin Elena Christopher. Sie spricht vom französischen Telekomunternehmen Orange, das seit November 2017 in Frankreich auch als voll ausgebaute Bank auftritt.

Im März wurde die Schwelle von 100.000 Bankkunden überschritten. 25% Marktanteil am Online Banking sind das Ziel. Für 2018 rechnet Orange bereits mit einem globalen Bankumsatz von 400 Millionen Euro, die Hälfte davon in afrikanischen Ländern.

In Afrika? Ja, Orange ist seit einigen Jahren in mittlerweile 14 afrikanischen Ländern mit so genannten „mobilen Banken“ vertreten.

Afrika

Von uns unbemerkt haben die afrikanischen Länder an die globalen Wertschöpfungsketten angedockt und hat sich das urbane Afrika in die globale Wissensgesellschaft eingeloggt. Afrika ist Teil der vernetzen globalen Gesellschaft geworden. Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Wirtschaftsleistung Sub-Sahara-Afrikas verdreifacht, das Pro-Kopf-Einkommen verdoppelt und wurde die Armut deutlich zurückgedrängt.

Die beachtliche Entwicklung der afrikanischen Länder ist aber nicht nur ein reiner Aufholprozess. In Ländern, die ohne vorheriger Industrialisierung direkt im Zeitalter der Globalisierung und allgegenwärtigen Konnektivität landen, entsteht auch eigenständig Neues.

Mobile Banken…

… sind so eine Neuheit, die in Afrika entstanden ist. Sie wurde vor mehr als zehn Jahren im „Silicon Savannah“ – so wird mittlerweile der digitale Hotspot Nairobi genannt – erfunden. Nach der rasanten Verbreitung von Wertkartentelefonen am afrikanischen Kontinent kam es zu einem schwunghaften Handel mit „Airtime“. Dann wurde die Idee, die Mobiltelefonnummer gleichzeitig zur Kontonummer zu machen, zunächst von einem Joint Venture aus der kenianischen Telekom und der britischen Vodacom umgesetzt. Noch vor der Smartphone-Zeit wurde so hunderten Millionen Afrikanern ein Zugang zur Geldwirtschaft gegeben.

Der nun von Orange ausgelöste „Shake-up“ (Financial Times) der französischen Bankenlandschaft ist ein erster Beleg, dass durch eine in Afrika entstandene Innovation Disruptionen auf Europas Märkten ausgelöst werden können.

Agiler Mindset

Hinter dem wirtschaftlichen Boom in afrikanischen Ländern stehen vor allem „agil“ denkende Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie haben den Alltag der Menschen gravierend verändert. Neben den mobilen Banken sind es vor allem Unternehmen im Energie-, Bildungs-, Gesundheits- und Logistikbereich. Von Heimsolaranlagen mit eingebauter SIM-Karte über mit Call-Centern klug verbundene Lernhilfeapps bis Cargo-Drohnen.

Inzwischen erkennen wir, dass ein Überspringen von Entwicklungsstufen nicht nur bei den Technologien stattfindet, wie dem Festnetztelefon oder dem Ausrollen von Bankenfilialen. Dieses so genannte „Leapfrogging“ gibt es auch beim Mindset der Menschen.

Während wir hier in Europa noch ganz am Anfang stehen ist agiles Wirtschaftsdenken im Silicon Savannah, in Lagos, Kigali, Accra, Johannesburg und anderen afrikanischen Hotspots mittlerweile Standard.

Denn „agil“ bedeutet auch, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Und das erfordert eine andere Organisation und in vielen Fällen vor allem eine neue Organisationskultur. Afrikanische Unternehmen tun sich da leichter. Ihnen stehen viel weniger Besitzstände und alte Technologien im Wege. Auch deswegen bewerkstelligen sie die digitale Transformation viel näher am Bedarf der Menschen. Womit wir in Europa mit weiteren Disruptionen durch in Afrika entstandene Innovationen rechnen werden müssen.

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